Was ein Glück, sie fragte nicht ein einziges Mal, ob ich bei den Sprintläufen dabei sein wollte, lediglich die Langläufe absolvierten wir wie gewohnt zu viert. Für das Stabitraining klettert Katrin regelmäßig auf die Powerplate, die sie vor 10 Jahren angeschafft hatte, um die Tiefenmuskulatur zu trainieren. Sie stellt dann immer die gleichen Videos bei Youtube an, so nervig, da können wir Hunde nur zuschauen: ein 12-min Armtraining mit 3 kg Hanteln und ein 10-minütiges Bauchtraining. Ergänzt wird das Ganze durch das Stretch-Programm, das lief dann meist abends vor der letzten Mahlzeit. Wenn wir alle zusammen nach getaner Tat ins Bett klettern, stärkt sie beim Zähneputzen mit dem einbeinigen „Wadenheber“ täglich die Unterschenkelmuskeln, das beugt nebenbei Sprunggelenksverletzungen vor; ein toller Tipp von Katrins jüngster Tochter, die sich auf einen Triathlon vorbereitet.
Damit sind wir bei einem weiteren wichtigen Thema: es reicht ja nicht, körperlich gut vorbereitet zu sein, Hund und Mensch müssen zudem bis zum Wettkampftag möglichst verletzungsfrei bleiben. Einmal beim Sprinttraining nicht aufgepasst und umgeknickt, schon fällt der Mensch für Wochen aus. Bei jedem Waldlauf setzt Katrin ihre Füße achtsam, um kein Wurzelwerk zu übersehen. Für mich ist das ein bisschen lustig, das erledigt mein Körper und mein physikalisch herausragendes Empfinden ganz von selbst, da mach ich mir keine Gedanken und trotzdem ist bei der sportlichen und recht einseitigen Beanspruchung meiner Extremitäten ebenfalls Achtsamkeit gefragt – auch bei mir kann ein falscher Tritt zu Verletzungen der Pfoten führen.
Katrin benötigt sogar im Training beim Hürdenlauf ihre volle Energie, damit dieser wettkampfnah ausgeführt werden kann und ich mich auf ein gemeinsames Tempo mit ihr einstellen darf. Da ist Katrin echt diszipliniert und führt stets die gesamte Erwärmungsphase inclusive Dehnprogramm durch, für sie gleichfalls als Verletzungsprophylaxemaßnahme gedacht.
Am Wettkampftag braucht Katrin auf jeden Fall psychisch-mentale Stabilität, ich merke das schon bei der Anreise. Sie wird ziemlich wortkarg und konzentriert. Schließlich weiß sie, dass der volle Fokus auf die kurzen Sprinteinheiten mit technisch-taktischen Anforderungen in Teamkooperation mit mir hoher Konzentration und Gelassenheit zugleich bedarf, denn mit schlottrigen Beinen ist schlecht sprinten. Außerdem überträgt sie ihre Nervosität auf mich, dann werde ich angespannt und fahrig zugleich.
Nun kann man sich ja bei einem zweitägigen Wettkampf nicht aussuchen, wann man startet, und so braucht es zudem Durchhaltevermögen und den rechten Wechsel zwischen Anspannung und Gelassenheit in der Zeit vor und zwischen den einzelnen Disziplinen. Die Wartezeit kann im besten Fall für das Ablaufen der 1000 m-Strecke genutzt werden. Ich mag das, da kann ich mich entspannt lösen und die vielen Hinterlassenschaften meiner vierbeinigen Mitstreiter erschnüffeln. Auch dies gehört für Katrin zur nervlichen Beanspruchung dazu: den richtigen Zeitpunkt für meine Fütterung und die Spaziergänge in den Wettkampfverlauf einzuflechten, Mal ganz abgesehen von ihrer eigenen Nahrungsaufnahme und Entledigung selbiger. Ihr seht schon, das ganze Unterfangen ist echt ziemlich komplex!
Und dann kommt schließlich doch alles anders als geplant: kurz vor dem morgendlichen 1000 m-Abschlusslauf des Sprint-VK nach Gundersen-Methode bei der VDH-DM in Sülfeld wurde die Strecke umgelegt, weil es am Vorabend und die Nacht hindurch zu viel geregnet hatte und einige Geländeläufer bereits gestürzt waren. Hier zeigten die Teilnehmer eine beachtliche Portion Flexibilität, um den bereits fertigen Laufplan gedanklich noch einmal zu überarbeiten. Katrin war ihn gefühlt tausend Mal schon durchgegangen: an welcher Stelle gilt es, auf die Füße zu achten, an welcher Stelle gibt es Möglichkeiten des Überholens, an welcher Stelle könnten wir noch einmal zusammen Gas geben, an welcher Stelle darf der Abschluss-Sprint beginnen? usw.usf. (Großer Dank an alle Ausrichter der Wettbewerbe, die viel Zeit, Mühe und Herzblut investieren, um diese besonderen Events auf die Beine zu stellen!)
Logistisch war das dann am Lauftag auch nicht die einfachste Aufgabe, denn es war nicht erlaubt, der Streckenführung entgegen zum Start zu laufen. Das ergab einen enormen Umweg vor dem Start, der bei immer noch strömendem Regen mit vollem Equipment zurückzulegen war. Es galt also für Katrin zu planen, was sie über ihrer Laufkleidung noch tragen wollte: wo werden die nicht benötigten Kleidungsstücke während des Laufes deponiert? Wann fixiert sie den Transponder, bevor sie die wärmende Überhose auszieht oder erst danach? Wo bewahrt sie ihn bis dahin auf? Schafft sie es noch einmal, ihren Beckengurt abzulegen, um den Aufregungstoilettengang zu erledigen? Wo deponiert sie in der Zeit mich, wenn so viele Hunde um einen herumspringen? (Dank an ihren Ehemann Markus, der uns bei all dem durchgehend unterstützend begleitet!) Und seien wir ehrlich: ich mag Regen vor dem Lauf auch nicht so sehr, wenn mein Fell klitschnass ist, bevor es losgeht, minimiert sich der Spaß für mich aber gewaltig!